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„Frau Schwope, wann kann ich wieder diese Stunde haben?“ Eine immer wiederkehrende Frage auf dem Schulhof. Es hat sich herumgesprochen, dass man mit der Religionslehrerin reden kann, wenn „etwas drückt“. Dass der offizielle Name dafür „Seelsorge“ ist, spielt nicht so eine große Rolle für die Kinder. Für das Kollegium schon eher: „Ich hab gehört, du bietest Seelsorge an? Nurays Vater ist gestorben. Sie weint immerzu. Ob du mal mit ihr reden kannst?“ oder „Kann Esra mal zu dir kommen? Sie ist plötzlich völlig unkonzentriert. Da stimmt irgendetwas nicht.“ Auch die Sozialarbeiterin sieht bei Kindern Redebedarf, den sie nicht decken kann und stellt eine Verbindung her.

Dann verabrede ich mit dem Kind und der entsprechenden Lehrkraft eine Stunde, in der dieses Kind zu mir kommen darf. Jede/r ist willkommen! Wir haben Glück, im Religionsraum haben wir Ruhe. Für unsere Gespräche gibt es ein besonderes „setting“: Kleiner Tisch, Tischdecke, Seelsorgekoffer – und die großen Stühle!

Jedes Kind nutzt diese Zeit anders. Manche Kinder reden „wie ein Wasserfall", wollen ganz viel loswerden. Andere werfen erstmal nur etwas in den Raum. „Warum ist Papa einfach verschwunden? Ob er mal wiederkommt?“ „Ich trau mich nicht, Mama die 5 in Mathe zu zeigen.“ „Mein Papa hat unseren Hamster einfach weggeworfen! Ich hasse ihn!“ „Ist der Gott wirklich stärker als Seytan (türk. für Satan)?“

Meine Aufgabe besteht in erster Linie darin, den Kindern zuzuhören. Diese Stunde ist ihre Zeit. Sie entscheiden über Themen, Intensität und auch über Aktionen, die evtl. entstehen. Cora macht eine Liste, was sie einpacken muss, wenn sie übermorgen ins Heim zieht. Nicole will mit den kleinen Puppen üben, wie sie ihrer Mutter von den schlechten Noten erzählen kann. Djingou beschriftet einen Stein. Es wird ein Gebet an Allah. Serra will aus ihrer Trauer um den verstorbenen Vater herauskommen. Sie nimmt sich jede Woche etwas vor. Alles wird notiert und beim nächsten Mal schreibt sie auf, was ihr gut getan hat. Diese „Strategie“ hat sie selbst für sich entwickelt.

Jedes Kind hat ein kleines "Seelsorgebüchlein" – darin wird gemalt, Fragen, Erlebnisse werden notiert. Diese Büchlein erzählen viel. Aber niemand anders darf hineingucken. 

Mit meinen Fragen oder Impulsen versuche ich, in den Kindern ihre eigenen Ressourcen zu wecken. Es beeindruckt und bewegt mich, wie stark sie sind, welche Weisheiten sie in sich tragen, wieviel Geduld sie aufbringen, wie tiefgründig sie reflektieren können. Diese Kräfte, die ihnen gegeben sind, ermöglichen nach fast jeder Stunde eine Erleichterung, eine neue Hoffnung, immer wieder ein Lächeln. Das (be)stärkt auch mich in meinem Tun.

Drei Gespräche verabrede ich in jeder Woche. Natürlich „reicht“ das nicht. Aber es sind wertvolle Tropfen. Manchmal bedanken sich Eltern, oft die KollegInnen, immer wieder die Kinder. Am meisten bedanke ich mich selbst, dass ich diese kostbare Arbeit tun darf.

Claudia Schwope

(Alle Namen dieses Artikels wurden zum Schutz der Kinder geändert.)